Der Feind befindet sich in unseren Mauern


by Freepics
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Marketing und die damit verbundene Zielgruppen-Definition und -ansprache ist eine vergleichsweise einfache Geschichte, wenn man beispielsweise Bentleys, Yachten oder Lear Jets verkauft. Die Voraussetzungen, um sich solches Spielzeug leisten zu können, sind auch von Nicht-Eingeweihten relativ einfach formuliert. Ich vermute, die meisten Maßnahmen, die dazu dienen, eine solche Klientel zu umwerben, finden den Beifall aller. Ungleich schwerer hat es da der Marketingverantwortliche eines Golfclubs.

 

Die Zielgruppe besteht bekanntermaßen aus verschiedenen Adressaten. Die zu benennen, erspare ich hier jetzt allen, ich weiß ja, für wen ich hier schreibe. Spätestens, wenn der Clubmanager oder der Marketingverantwortliche im Vorstand sich darüber Gedanken macht, wie Greenfee-Einnahmen zu steigern, Mitgliederzahlen zu erhöhen oder Mitgliederschwund zu begegnen ist, begibt sich der Verantwortliche auf eine Reise, die ihm vor allem eines garantiert: Ärger mit den unterschiedlichsten Clubmitgliedern.

 

Ich bin sicher, Marcus Tullius Cicero hatte eine Vision von deutschen Golfclubs, als er sagte: Der Feind befindet sich in unseren Mauern.

 

Gegen unseren eigenen Luxus und unsere eigene Dummheit müssen wir kämpfen. Wunderbare Beispiele dafür, wie es Mitglieder (damit meine ich ganz pauschal bestimmte Mitglieder aller Golfclubs und keinen bestimmten Club) immer wieder schaffen, nicht im Sinne des Clubs zu agieren. Ein kleiner Eindruck von dem, was Golfclub-Manager bundesweit so erleben.

 

Beispiel 1:

 

Mitglieder mögen keine Greenfeespieler. Erst recht schon mal keine, die durch Arrangements mit vergünstigtem Greenfee auf der Anlage spielen. Greenfeespieler werden gerne belehrt, auch gerne mal überspielt – mit dem Hinweis: Wir sind Clubmitglieder. Die gleichen Mitglieder finden es aber völlig unverständlich, dass der Vorstand es nicht schafft, einen Gastronomen dauerhaft auf der Anlage zu halten.

 

Beispiel 2:

 

Mitglieder belehren gerne. Gerade auch neue Mitglieder. Und da kommt dann gerne mal der gutgemeinte Hinweis, doch bitte das Poloshirt in die Hose zu stecken und nicht drüber. Neumitglieder sind dann entweder belustigt, pikiert oder beeindruckt – je nach Persönlichkeit. Der Retter der Kleiderordnung wird aber spätestens dann zum Lacher, wenn er später dabei beobachtet wird, wie er mitten auf dem Fairway seinen Toilettengang nachholt. Ein echter Botschafter für seinen Club.

Beispiel 3:

VCG-Turniere sind für jeden Marketingverantwortlichen ein schöner Fundus, um ggf. das eine oder andere Neumitglied zu gewinnen. Es wird organisiert, terminiert, der Platz ist in Bombenzustand, die Sonne scheint vom Himmel, die Rundenverpflegung wurde von der Gastronomie noch nett ergänzt. Alles ist gut - bis zu dem Moment, als zwei Clubmitglieder, die die Platzbelegung nicht gelesen hatten, am Tee der 1 auftauchen und hören, dass ein VCG-Turnier startet. In Richtung der wartenden Flights und Starter der VCG kommt die Frage: „Sind das nicht die, die für eine Clubmitgliedschaft nix zahlen wollen?“

Beispiel 4:

„Haben wir das eigentlich nötig?“ Diese Frage durfte sich ein Clubmanager von einem Clubmitglied gefallen lassen, als ein nigelnagelneuer SUV der gehobenen Mittelklasse im Rahmen einer laufenden, durchaus attraktiven Werbepartnerschaft vor dem Clubhaus abgestellt wurde. Das dazu passende Sponsorenturnier, bei dem auch das leckere Buffet gerne in Anspruch genommen wurde, hat das Clubmitglied natürlich besucht.

 

Beispiel 5:

 

Viele Golfspieler sind Sparbrötchen. Das schöne Abendessen für zwei Personen in einem guten Restaurant - mit passender Flasche Wein - darf gerne etwas kosten. Gerne auch das, was den Gegenwert von zwei Greenfees auf einem Leading Course deutlich übersteigt. Stimmt die Kosten-Nutzenrechnung allerdings bei der Clubmitgliedschaft nicht mehr, wird gerne auch gekündigt. Das ist durchaus verständlich; jeder setzt seine Prioritäten. Doch dann im Rahmen des Membertarifs oder per Fernmitgliedschaft über die bis dahin „eigene“ Anlage zu ziehen, zeugt nicht von echtem Commitment zum Club. Erst recht nicht, wenn der gute Bekannte aus dem Club das Member-Greenfee kauft und nicht wie vorgeschrieben mit auf die Runde geht. Das sollte man nicht so eng sehen im Club, man ist ja schließlich Mitglied…

 

Freedrop: Bevor Golferlebnistage, Schnupper- und Platzreifekurse, Sponsorpartnerschaften, Greenfee-Arrangements und viele andere Marketingmaßnahmen greifen können, müssen wir erst mal das Bewusstsein unserer Mitglieder verändern. Sie sollten nicht fragen, was der Club für Sie tun kann – Sie sollten fragen, was Sie für den Club tun können. Selbstbedienungsmentalität und Egoismus schaden jedem Club – und machen jede Bemühung um Gäste und Neumitglieder zur Farce.

 

 

Dirk Dratsdrummer (54) ist in Personalunion Schriftführer und Beisitzer Marketing im Vorstand des Golfclub Issum-Niederrhein e.V. Der Inhaber eines PR-Büros aus Moers übernimmt im Auftrag mittelständischer Unternehmen Kommunikationsprojekte für unterschiedlichste Zielgruppen. Nach mehreren Jahren des kontinuierlichen Mitgliederschwundes konnte der Vorstand für das Jahr 2019 erstmals wieder eine ausgeglichene Bilanz an Ein- und Austritten vorlegen. Kontakt: dirk.dratsdrummer@prjournalist.de