Von den Alten lernen


Mark Horyna
Mark Horyna

Nein, nicht von den Alten, an die Sie jetzt denken. Nicht von den Leuten, die schlurfend in fünfeinhalb Stunden über ihren Platz schleichen, mit dem Cart aufs Vorgrün fahren, nur widerwillig grüßen und ein Lebenshandicap zur Stabilisierung ihres sensiblen Golferegos brauchen. Nein, nicht von diesen Alten.

 

Ich meine von den wirklich Alten.

 

Vor Jahren schlage ich an einem Sonntagmorgen im 1885 gegründeten Royal Dublin Golf Club auf, einem der traditionsreichsten Anlagen der irischen Hauptstadt. Es ist Herbst, es regnet. Als dem Pro klar wird, dass ich alleine spielen werde (meine hochschwangere Frau will mich nur begleiten) verschwindet er aufgeregt aus dem Shop und kommt nach wenigen Minuten mit zwei Mitgliedern zurück. Ich könne unmöglich alleine da raus! Alleine macht das doch gar keinen Spaß. Es folgt eine Vier-Stunden-Runde voller Anekdoten aus der Geschichte des alten Clubs, mit Wissenswertem zur Platzentstehung und Architektur und eine Menge Restaurantempfehlungen für Dublin. Meine Begleiter sind langjährige Mitglieder. Ein Anwalt und ein Taxifahrer. Als es plötzlich wie aus Badewannen zu schütten beginnt (Irland eben), stellen wir uns bei den Greenkeepern unter. Die bieten Tee an und erklären uns die Konstruktion der zahlreichen Sodenbunker.

 

Nach unserer ersten Runde im Panmure Golf Club am Rande der schottischen Stadt Carnoustie ziehen wir uns auf dem Parkplatz verstohlen Blazer und Krawatte an, wechseln in Straßenschuhe und betreten das ehrwürdige weiße Clubhaus, um die berühmte Hogan-Lounge zu besichtigen. Panmure blickt auf eine lange und stolze Vergangenheit zurück. Der Club ist regelmäßiger Gastgeber des Open-Qualifying. Hier finden nationale Amateur-Meisterschaften statt und wenn der Headgreenkeeper es darauf anlegt, haben nicht einmal die besten Spieler auf den spiegelglatten Grüns eine Chance. 1953 übte hier Ben Hogen, bevor er in Carnoustie „seine“ Open Championship gewann. Bubba Watson hängt hier ab, wenn er den Open Cut verpasst, Gary Player ist ein regelmäßiger Gast und viele andere mehr. Panmure ist Golf-Noblesse vom Feinsten.

 

Ein wenig verloren stehen wir also im Eingangsbereich, als uns eine freundlich lächelnde Dame Ende sechzig fragt, ob sie uns vielleicht irgendwie helfen könne. Anderthalb Stunden später hat uns Clubsekretärin Jeanne Kirk jeden Raum des Hauses gezeigt. Den Dalhousie Room, die uralten Umkleiden, den Ladies Room aber auch die Bibliothek im ersten Stock. Dort hängt die Gründungsurkunde aus dem vorletzten Jahrhundert. Mein Begleiter fragt vorsichtig, ob auch internationale Mitglieder aufgenommen werden. Kurz darauf sitzen wir in der Gentlemen’s Club-artigen Hogan Lounge und schlürfen mit einigen Mitgliedern Pimms. Die Anträge sind unterschrieben.

 

An der Eingangstür zum Clubhaus sitzt eine junge Frau und hält Besuchern die Tür auf. David Roy, Club Manager der Crail Golfing Society, einem der älteren Golfvereine der Welt (1786) und beliebtes Ziel vieler Golftouristen, fängt uns vor der zweiten Runde des Tages ab und stellt das Mädchen vor. Sie ist Anna McKay. Anna spielt von 2, ist 15 Jahre alt und Damenmeisterin der Society. Derzeit an der Hand verletzt, kann sie nicht trainieren. Deshalb hält sie Gästen die Türe auf. David Roy strahlt mich sichtlich stolz an. Stolz auf seine Meisterin und darauf, dass sie ihre freie Zeit damit verbringt, Gästen und Mitgliedern des uralten Clubs die Türe zu öffnen.

 

Natürlich, nicht jeder Club blickt auf eine jahrhunderte-lange Historie zurück, nicht jeder kann Ben Hogan als Referenz anführen und nicht jeder hat zwei Top-Plätze und eine attraktive Clubmeisterin, die Gästen die Türe aufhält.

 

Aber jeder Club hat Mitglieder und Mitarbeitende, die automatisch Botschafter des Vereins, der Anlage und des Sports sind. Fast jeder Club hat eine Geschichte, eine Vergangenheit und eine Gegenwart, die als Narration begeistern und weitergegeben werden können. Jeder Club kann eine offene Willkommenskultur leben und dem Gast den Aufenthalt so angenehm wie möglich gestalten. Warum, frage ich mich, geschieht das so selten? Warum passieren die oben angeführten Geschichten meistens im Ausland und selten im eigenen Land?

 

Golf, wie alles andere, funktioniert nur bedingt durch die Anwendung formelhafter Seminarweisheiten. Und man muss aufpassen, mit diesen austauschbaren Formeln nicht alles über einen Kamm zu bürsten. Aber so banal es auch klingt: Anlagen leben von den Menschen, die ihnen ein Gesicht verleihen. Diese müssen die Qualitäten dessen, was wir haben, in den Vordergrund rücken. Dafür braucht es zufriedene Mitglieder aber auch motivierte und informierte Mitarbeitende. Es braucht Begeisterung für das Spiel, für den Club, für den Platz. Vielleicht ist es auch an der Zeit, mal über eine Re-Amateurisierung nachzudenken. Golfer ins Management!

 

Freedrop: Die Anwendung formelhafter Seminarweisheiten wird die vielen Probleme, die sich uns stellen, auf Dauer nicht lösen. Golf braucht Menschen, die das Spiel lieben, leben und erzählen. 

 

 

Mark Horyna, Golfjournalist, The New Gentleman Golfer,

Kontakt: mr.horyna@thenewgentlemangolfer.com

 

Autor und Filmemacher Mark Horyna lebt und arbeitet in der Nähe von Stuttgart. Seine Texte finden Sie regelmäßig im australischen „Caddie-Magazine“, der deutschen „Heritage Post“, dem schweizerischen „GolfPlus“ und dem österreichischen „Perfect Eagle“. Als „The New Gentleman Golfer“ treffen Sie ihn in den sozialen Medien und gelegentlich auch vor der Kamera. Er hat zudem Golfbetriebsmanagement (IST) studiert und ist Vorstand eines Fördervereins, der sich um den Golfnachwuchs kümmert. Sie erreichen Horyna telefonisch unter 01743330702 und per Mail mr.horyna@thenewgentlemangolfer.com