Raus mit euch!


Pic: Mark Horyna
Pic: Mark Horyna

Ein Straßenfest in einer beliebigen Ortschaft der deutschen Provinz. Der Ortskern ist für den Verkehr gesperrt. Stände und Buden reihen sich entlang der Straßen. Sie kennen das. Die Freiwillige Feuerwehr ist mit einer ganzen Mannschaft vorgefahren. Wer mag, kann auf einem Leiterwagen in luftige Höhe schweben oder kleine Brände löschen. Der Apotheker verkauft, geschäftstüchtig wie immer, alkoholische Getränke, auf Wunsch gerne auch mit Extraschuss.

 

Am nächsten Morgen wird Aspirin in seinem Laden reißenden Absatz finden. Der kroatische Fußballverein hat einen Stand, die Serben auch, der türkische Kulturverein und der Schachclub. Der Taekwondo-Verein besitzt schon seit Jahren einen eigenen Foodtruck. Die Schlange davor ist lang und geduldig. Die Curry Wurst ist Legende und der Mann hinter der Theke im Vorjahr für sein ehrenamtliches Engagement vom Bürgermeister ausgezeichnet worden. Die Jugendkapelle des Musikvereins spielt auf, eher leidenschaftlich als gekonnt und am Abend gibt es eine Vorführung der bewegungslegasthenischen Tanzgruppe des Turnvereins.

 

Die Handballabteilung hat eine Torwand aufgebaut und wenn nicht alles schief geht, wird man am Abend einiges an Spenden eingenommen haben. Für ein nahes Kinderhospiz vielleicht, oder für das neue Dach der Schulsporthalle. Alle, die in der kleinen Gemeinde Gewerbesteuern zahlen, Geschäfte machen und Leute beschäftigen sind da. Das gehört nicht nur zum guten Ton, es ist schlicht überlebenswichtig.

 

Auch wer auf Mitgliedergewinnung und Spenden angewiesen ist, muss präsent sein. Der Mann im Foodtruck des Taekwondo-Vereins wird bis in die Nacht hinein mit hunderten von Leuten reden. Mit den meisten nicht zum ersten Mal. Er wird sie trotzdem erneut ansprechen, vom Clubleben erzählen, von den Turniererfolgen der Nachwuchskämpfer, aber den Leuten auch zuhören. Gemeinschaft herstellen, einer von Ihnen sein. Vielleicht kommen am Ende zwanzig Leute mal zum Training vorbei. Zehn werden möglicherweise ein zweites Mal kommen, fünf Mitglieder werden, einer eventuell das Zeug zum Athleten haben.

 

Wenn Sie hier auf dem Straßenfest nach dem Golfclub fragen, wird man Sie vermutlich missverstehen und freundlich den Weg weisen. Raus aus der Stadt, die erste links, dann 5 Kilometer geradeaus. Einen Stand des örtlichen Golfvereins werden Sie im Normalfalle auf solchen Straßenfesten nicht finden.

 

Wir können es drehen und wenden, wie wir wollen. Golfclubs sind oft schon architektonisch nicht wirklich einladend. Hohe Hecken, Einfahrtsschranken, lange Auffahrten und deutliche Hinweise, dass der Ort Mitgliedern und Gästen vorbehalten ist. Reservierte Vorstandparkplätze und dergleichen mehr... Bei manchen Anlagen fehlt zur Begrüßung des potenziell interessierten Neulings lediglich das Schild mit dem Hinweis auf eine Selbstschussanlage, um das perfekte Bild der Abschreckung abzurunden. Was für uns Golfer eher übersehbare Nichtigkeiten sind, stellen für den Außenstehenden oft immense Hürden da. Kommen da noch unfreundliche, griesgrämig dreinblickende Mitglieder hinzu, sind die schlimmsten Vorurteile über Golf bestätigt...

 Doch hier geht es in erster Linie weniger um Golf als Abweisendes, sondern um Golf als Abwesendes. Letztens beklagte bei einer Verbandsveranstaltung für Clubvertreter und Presseleute eine in ihrem Club für Öffentlichkeitsarbeit zuständige Dame etwas pikiert, dass sich die örtliche Zeitung überhaupt nicht für die Clubgeschehnisse interessiere. Die Frage liegt natürlich nahe, ob sich der Club denn für die Geschehnisse der umliegenden Ortschaften ernsthaft interessiert.

 

Freilich, in der inzwischen deprimierend klein gewordenen Golfverramschungshalle der CMT in Stuttgart präsentieren sich die baden-württembergischen Clubs mit Ständen. Während schnäppchenversessene Golfer sich im Kampf um die Vorvorjahresschuhmodelle gegenseitig wegschubsen, stehen die Clubverantwortlichen sich die Füße platt, um Gutscheine und Sonder-Greenfees unters golfspielende Volk zu bringen. Vier Tage Extremeinsatz im Namen des Sports. Doch wer besucht denn wirklich diese und ähnliche Messen? Wer traut sich denn an die Stände? Generiert diese Präsenzoffensive zur Winterszeit wirklich neue Golfer, oder bedient man dort lediglich ein Stammklientel, das über die dunkle Jahreszeit hinweggerettet werden muss?

 

Golf muss aus meiner bescheidenen Sicht seine gesellschaftliche Abwesenheit überwinden. Wenn der Interessent, durchaus verständlich, die Hürde in den Club hinein nicht nehmen kann, müssen wir zu ihm. Und nicht nur aus einem kurzfristigen Kalkül der Neumitgliedergewinnung. Es muss Golf vielmehr gelingen, aus der selbstverschuldeten Abgeschiedenheit auszubrechen. Um langfristig zu florieren, muss der Elfenbeinturm verlassen werden. Sicher, das geht nicht von heute auf morgen und mancher wird den Sinn eines Standes auf dem Dorffest vielleicht nicht verstehen. Aber jeder Golfer weiß, wie viel der Sport zu geben hat und es wird Zeit, dass wir das erzählen. Nicht nur einander, auch anderen.

Sicher, wenn wir so weitermachen, wird der gelegentliche Rentner vielleicht seinen Weg zu uns finden, seine Gutscheine einlösen und eventuell über einen Vereinswechsel nachdenken. Doch seien wir ehrlich, auch wenn er solvent ist und sich zu benehmen versteht, ist er wirklich die Zukunft des Spiels, die wir brauchen?

 

FREEDROP: Golf muss seine Komfortzone verlassen. Aus dem Elfenbein heraus auf die Straße!

 

 

Mark Horyna, Golfjournalist, The New Gentleman Golfer,

Kontakt: mr.horyna@thenewgentlemangolfer.com

  

Autor und Filmemacher Mark Horyna lebt und arbeitet in der Nähe von Stuttgart. Seine Texte finden Sie regelmäßig im australischen „Caddie-Magazine“, der deutschen „Heritage Post“, dem schweizerischen „GolfPlus“ und dem österreichischen „Perfect Eagle“. Als „The New Gentleman Golfer“ treffen Sie ihn in den sozialen Medien und gelegentlich auch vor der Kamera. Er hat zudem Golfbetriebsmanagement (IST) studiert und ist Vorstand eines Fördervereins, der sich um den Golfnachwuchs kümmert. Sie erreichen Horyna telefonisch unter 01743330702 und per Mail mr.horyna@thenewgentlemangolfer.com